<IX>tens aber sind sie von besonderer Bedeutung durch die Auffassung des Herrscherzamtes, zu der sich der König in ihnen bekennt. Wir kommen darauf zurück.

Zunächst eine allgemeine Bemerkung über Friedrichs Auffassung von Fürst und Staat. Überall dort, wo er von dem Ursprung der Staaten und der Quelle der Herrschergewalt spricht, dürfen wir nicht vergessen, daß er noch auf dem Boden der Lehre des älteren Naturrechts sieht. Diese geht von dem Individuum aus. Nach ihr setzt sich der Staat aus den einzelnen Individuen zusammen, die in ihm vereinigt sind. Ein erster Vertrag begründet die Rechtsordnung. Erst durch einen zweiten, den Unterwerfungsvertrag, wird das obrigkeitliche Verhältnis geschaffen, das den Staat ausmacht. Die Obrigkeit erhält damit lediglich die Funktion, den Gesetzen zur Herrschaft zu verhelfen und für die höchste Steigerung des Gemeinwohls zu wirken. „Ihr Existenzrecht“, um mit Dilthey zu reden, „ruht darin, wie sie die Gesetze schützt, die Justiz übt, die guten Sitten erhält und den Staat nach außen verteidigt.“ Da aber dieser Rechtsstaat zugleich Wohlfahrtsstaat ist, muß das Interesse der Obrigkeit mit dem Wohl des Ganzen zusammenfallen.

Der Fürst ist also nach Friedrichs Anschauung nur der Träger einer Funktion oder — wie er sich ausdrückt — „der erste Diener des Staates“. Er bedient sich dafür verschiedener Wendungen: neben „serviteur“ sagt er auch „domestique“, „magistrat“ oder „ministre“1.

Diese Auffassung von den Regentenpflichten findet sich bereits im Altertum. Auch die Formulierung des antiken Gedankens begegnet schon lange vor Friedrichs Zeiten, bei Dante, Hobbes, die von einem „minister omnium“ und „minister multi-tudinis“ sprechen. König Jakob I. von England nannte sich in einer Rede vor dem Parlament (1604) den „größten Diener des Staates“. Swift bezeichnet den Herrscher ähnlich als „größten Diener des Volkes“, Fenelon ihn in seinem „Telemach“ als „Sklaven des Staates“. Massillon spricht in seinen Fastenpredigten (1718) von ihm als „Diener und Hüter des Gesetzes“, und Bolingbroke gebraucht die Wendung: „der erste Diener des Volkes“.

Wir wissen nicht, welche von diesen Ausdrücken Friedrich gekannt hat. Aber welche Fassung ihm auch vorgeschwebt haben mag, als er das Wort vom „ersten Diener des Staates“ schrieb, von entscheidender Bedeutung ist die Tatsache, daß er in ihm die Maxime seines Handelns sah. Das lehren nun im besonderen seine persönlichen Testamente. Da sehen wir, daß bei ihm nicht mehr die patriarchalische Auffassung des Königtums gilt, wie sie sewe Vorgänger auf dem Throne beherrschte, die Land


1 Vgl. S. 6. 154. 226. 235. Ferner gebraucht der König den Ausdruck am Schluß des Kapitels über König Friedrich I. in den „Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Hauses Brandenburg“ (vgl. Bd. I), am Anfang der Denkschrift „Rechtfertigung meines politischen Verhaltens“ vom Juli 1757 (vgl. Bd. III, Anhang) und in dem Schreiben an die Kurfürstin-Witwe Maria Antonia von Sachsen vom 8. März 1766.